Texte zu Mythophagen I

MYTHOPHAGEN

Der Mythos neigt dazu, im Bilde zu verschwinden. Destilliert zu einem Gefühl von Repräsentanz der Begriffe, Werte oder Geschichten, verliert der Betrachter, so sehr er diese auch zu beschwören scheint, das Bewusstsein für sie. Ihm bleibt ein Analogikon von Symbol und Bedeutung, umgeben von feuilletonistischen oder antipodischen Rezeptionsmythen, deren konstituierende Rolle für die schöpferische Motorik und für Erkenntnisprozesse überhaupt in der folgenden Zeit durch mehrere Themenmodule untersucht werden wird.

MYTHOPHAGEN WEG

Das Bild ist in unseren und anderen Breiten in unterschiedlichen Zeiten meist Repräsentation (ebenso innerhalb des Kunstbetriebes), wie auch Sprachbilder Repräsentation bestimmter komplexer Gedankenkonzepte sind.

Die Wahrnehmung der Malerei hinterläßt daher stets ein geistig emotionales Konglomerat, das in seiner Doppelgesichtigkeit zwischen Aufklärung und Antiaufklärung pendelt.

Diese Phänomene gilt es nun in die Bilderzählung einzubinden – und sie werden ihrerseits eingesogen von “mythophagischer” Rezeption. Nach den Zeiten ideologischer Stildiskussionen können wir jetzt die historisch gewachsenen Ausdrucksformen als Klaviatur auffassen. Kein dekorativer Mix, sondern eine poetisch malerische Dichte soll das Ergebnis sein.

Die Überlebenden der Medusa

Géricault hat einer aktuellen Katastrophe die klassizistische Pose eingehaucht.

Das letzte Aufbäumen des stehenden Motivs mit Totalitätsanspruch. Der ästhetische Kanon, die Gebärde des Vermittelns speisen sich allerdings bis heute aus ikonographischen Attitüden – gewachsen in Jahrhunderten. Da besann sich die Moderne des reinen Materials und schuf ihre “immanente” Typologie, mitunter ideologisch unterfüttert. Im vermeintlich archaischen Ausdruck des Malens stranden die Gemälde gleichsam als Überlebende der Medusa (auch in Bezug auf die griechische Gestalt) zwischen Dekor und Deutungsschule.

So sind die Unmittelbarkeit, die spirituelle Naivität in der Malerei kaum lebbar, ohne stets Metatypologie zu sein.

Smile Stock

Jener larmoyante Gemeinplatz von der heutigen Bilderflut ist so banal nicht, bedenkt man wie die Omnipräsenz eines Persönlichkeitsdesigns, das sich als völlig unmythisch entlarvt, zu bestimmten Zwecken Entsprachlichung vorantreibt und verzweigte Erfahrungen linearisiert. Die entseelten Figuren der Bildagenturen werden hier nun in die Malerei und damit in eine Reliquie unserer Wahrnehmung zurückgestoßen, die bereits bei Lessings Laokoon in Atemnot geraten war, Menschenbildern werden – das “ Idealische” suchend – innerhalb einer Darstellungskonvention gewonnen.